Musikalische Dokumentation

Alfred Uhl (1909 - 1992)

Konzert-Vortrag-Ausstellung

Wien 1999, 49 S., Ill., Notenbeisp.

 

Inhalt

Seite

   

Programmfolge des Konzertabends

5

Alfred Uhl: Notizen zu meinem Leben

6

Heinz Kratochwil: Der Komponist

10

Walter Reitner: Der Lehrer

14

Hermann Sulzberger: Der Nachlaß Alfred Uhl in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek

18

Tonträgerverzeichnis

23

Alfred Uhl – Werkverzeichnis [erstellt von Hermann Sulzberger]

24

Literatur von und über Alfred Uhl

35

Die Ausstellung [Bearb.: Liselotte Theiner]

40

 

Selbstdarstellung:

[Im Zuge der Aufarbeitung des Nachlasses fanden sich die folgenden Ausführungen Uhls zu seinem Leben, die unserem Wissen nach noch nicht veröffentlicht sind.]
Da es mir damals [1932] infolge der schlechten Wirtschaftslage trotz aller Bemühungen nicht gelang, mir in Wien eine Existenzgrundlage zu schaffen, versuchte ich in Zürich Fuß zu fassen, was nach anfänglichen Schwierigkeiten auch gelang, als die Zürcher Präsens-Film A. G. verzweifelt nach einem Komponisten suchte, der in der Lage war, binnen weniger Stunden die Musik zu einem Beiprogrammfilm schreiben zu können. Durch Zufall erfuhr ich davon, meldete mich, schrieb die Musik - und die Auftraggeber waren zufrieden. Das hatte zur Folge, dass ich auch weiterhin mit Filmvertonungsaufgaben betraut wurde. So kam es, dass ich in der Zeit von 1933 bis 1938 im Auftrag der Praesens-Film ca. 60 Reklamefilme, 24 Kultur-Beiprogrammfilme und 4 abendfüllende Filme vertont habe. Meine Erfolge als Filmkomponist blieben nicht ohne Widerhall: ich erhielt nun auch Aufträge von der Tobis - Paris und Tobis - Berlin. Nicht unerwähnt möchte ich es lassen, dass der von Josef Dahinden (Arosa) gedrehte und von mir vertonte Film "Symphonie des Wassers" (kein Dialog, nur Bild und Musik) 1936 bei der Biennale in Venedig mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurde.
Meine Filmerfolge registrierte aber auch die Zürcher Fremdenpolizei, die mir, trotz intensivster Bemühungen seitens der Praesens-Film, hartnäckig die Arbeitserlaubnis verweigerte. Ausgelöst durch die erfolgreiche Zürcher Premiere des von mir vertonten abendfüllenden Kulturfilmes "Mittelholzers Abessinienflug", wurde mein "Fall" nun auch in aller Öffentlichkeit diskutiert, und erfreulicherweise sogar fast durchwegs zu meinen Gunsten, aber das nützte alles nichts. Obwohl die Praesens-Film bei einer Pressekonferenz erklärte, dass sie weder in der Lage noch gewillt sei, auf meine Mitarbeit zu verzichten und darauf verwies, dass sich außerdem bisher noch kein der Praesens-Film geeignet erscheinender Schweizer Komponist für meine Nachfolge interessiert habe, beharrte die Fremdenpolizei auf ihrem Standpunkt und entschied, dass ich zum Schaden der Schweizer Komponisten tätig sei. Ich musste 100 Franken Strafe zahlen, wurde des Landes verwiesen und mit einem Einreiseverbot für die ganze Schweiz auf anderthalb Jahre belegt,... was aber nichts daran änderte, dass mir die Praesens-Film weiterhin die Treue hielt. So komponierte ich halt statt in Zürich nun wieder in Wien und reiste jeweils zu den Tonaufnahmen nach Paris. Dass ich in diesen Jahren den Filmbetrieb gründlichste kennen gelernt habe, bedarf wohl nicht erst des Hinweises.
Meine Filmtätigkeit fand 1938 ein jähes Ende, als mir die Praesens-Film zu ihrem aufrichtigen Bedauern, wie sie mir versicherte, mitteilen musste, dass sie es nun nicht mehr verantworten könne, einen deutschen Komponisten zu beschäftigen.
Trotz aller Bemühungen gelang es mir auch 1938 nicht, mir in Wien eine Existenzgrundlage zu schaffen. Daran war diesmal allerdings nicht die Wirtschaftslage schuld, sondern der Umstand, dass ich mich - meiner Überzeugung entsprechend - von Anfang an von den damaligen Machthabern und ihrem politischen Regime distanziert habe. Meinen Unterhalt bestritt ich zunächst noch aus meinen Ersparnissen, geriet aber dann mangels jeglicher Hilfe in bittere materielle Not - und landete schließlich als Hilfsschreiber im Arbeitsamt. Im Februar 1940 erreichte mich der Einberufungsbefehl. Drei Monate Ausbildung in Gmunden, dann zunächst Abstellung zur Ersatzreserve. Tätigkeit als Arbeitskommandoführer und Dolmetsch (Französisch) in den Lagern Neumarkt/Ybbs, Amstetten und Wildings. Im Herbst 1941 Abstellung zur Fronttruppe, und im Dezember 1941 schwere Verwundung an der Ostfront durch Minenexplosion. Amputation des rechten Vorfußes, totale Entkräftung, starke und lang anhaltende Eiterung infolge Pulverstaubinfektion, Inzisionen und sonstige schmerzhafte Prozeduren. Nach etwa einem Jahr zwar endlich Heilung, aber unbewegliches Sprunggelenk, daher noch langwierige l orthopädische Behandlung. Gesamtdauer der Lazarettaufenthalte: 22 Monate. Im Oktober 1943 Entlassung aus dem Lazarett und Militärdienst.
Bemühung um eine Anstellung als Theorielehrer an der Wiener Musikakademie. Keine Vakanz, bestenfalls nur vorübergehende Vertretung des eingerückten, d. h. in einer Wiener Schreibstube den Krieg verbringenden Lehrers Dr. Friedrich Bayer. Trotz ungünstiger Bedingungen (kein Vertrag, mit sofortiger Entlassung muss jederzeit gerechnet werden) Annahme des Angebots.
Als 1945 der Krieg beendet war, schloss die Akademie ihre Pforten und stellte den Betrieb ein. Ich bewarb mich um die Stelle eines Lektors am musikwissenschaftlichen Institut der Wiener Universität - und hatte Erfolg. Ich hätte diese Stelle auch angetreten, wenn nicht eines Tages ein schüchterner Jüngling vor der Türe meiner elterlichen Wohnung gestanden wäre und mich gefragt hätte, was für die morgige Akademie-Aufnahmeprüfung im Hauptfach Musiktheorie/Komposition alles verlangt werde. Als ich erstaunt fragte, warum er sich mit dieser Frage gerade an mich wende, sagte er nicht minder erstaunt: "Sie sind doch jetzt an der Musikakademie der Theorie-Hauptfachlehrer Nr. 1." Und damit begann meine Laufbahn als Musikerzieher. Der immer stärker werdende, bis heute anhaltende Zustrom von Schülern aus dem In- und Ausland mag als Beweis für den großen Erfolg meiner Lehrtätigkeit gelten.
Gewissenskonflikte künstlerischer Art, mein eigenes kompositorisches Schaffen betreffend, sowie die intensive Beschäftigung und Auseinandersetzung mit Fragen und Problemen der Zielrichtung der Kunst im allgemeinen, beschwor etwa ab 1951 eine Krise herauf, die sich lähmend auf mein subjektives Schaffen auswirkte. Ich überbrückte diese Krisenzeit, indem ich wieder Filmangebote annahm. So vertonte ich die Filme "Das gestohlene Jahr" (mit Oskar Werner), den Sängerknabenfilm "Frühlingsstimmen" (mit Paul Hörbiger), den Film "Der Verschwender" (mit Josef Meinrad) und den Willi-Forst-Film "Stadt meiner Träume". Als ich dann aber mit der Arbeit an meinem Oratorium "Gilgamesch" begann, hatte ich die Krise überwunden und sagte dem Film endgültig Ade.
1960 Großer Österreichischer Staatspreis (Würdigungspreis)
1961 Musikpreis der Stadt Wien Elisabeth-Medaille, in Anerkennung meiner Verdienste als Juror des Concours musical international Reine Elisabeth, Brüssel 1964 Ernennung zum a. o. Hochschulprofessor
Berufung in den Österreichischen Kunstsenat
1966 Ernennung zum ordentlichen Hochschulprofessor
1967 Vizepräsident des Österreichischen Kunstsenats
1968 Schubert-Medaille des Wiener Schubertbundes
1969 Ehrenmedaille in Gold der Bundeshauptstadt Wien Fabiola-Medaille (Concours musical international Reine Elisabeth) ferner eine Auszeichnung aus purem Gold, die höchste, die Abessinien zu "vergeben hat: das Ehrenzeichen der kaiserlichen Leibgarde, verliehen in Würdigung und Anerkennung meiner Verdienste um die musikalischkünstlerische Erziehung meines abessinischen Schülers Gurumu, der jetzt bereits in Addis Abeba als hervorragender Organisator und Reformator auf musikerzieherischem Gebiet tätig ist, und schließlich: Aufsichtsratmitglied der Austro-mechana 1970 Einstimmige Wahl zum Präsidenten der AKM
in Las Palmas Ernennung zum Verwaltungsratmitglied der CISAC (der internationalen Dachorganisation aller Urheberrechtsgesellschaften)
1971 Mozart-Medaille der Wiener Mozartgemeinde
Was noch unerwähnt blieb: ich bin an der Musikakademie - seit 1970 wieder Musikhochschule - neben meiner Lehrtätigkeit seit langen Jahren auch als Leiter der Abteilung Musiktheorie/Komposition und Kapellmeisterschule tätig, wo ich in meiner Funktion als Abteilungsvorstand immer wieder schwerwiegende Entscheidungen zu treffen und mitunter auch recht komplizierte Probleme organisatorischer oder schultechnischer Art zu lösen habe. Dazu kommt noch, dass es innerhalb meiner in ihrer Struktur besonders vielfältigen Abteilung häufig zur Bildung von Unruheherden kommt, - sei es aus persönlich künstlerischen oder musikerziehungstechnischen Gründen. Es ist mir bisher aber stets gelungen, Gegensätze wieder auszugleichen, in Streitfällen gerecht und unbestechlich zu entscheiden und im Interesse einer ungestörten zielstrebigen Zusammenarbeit den Frieden wieder herzustellen.
Ich möchte es auch nicht unterlassen, zu erwähnen, dass mir in meiner erst acht Monate währenden Tätigkeit als AKM-Präsident zwei Vorhaben gelungen sind, um deren positive Lösung sich die AKM seit langen Jahren schon vergeblich bemüht hat: die Novellierung des Umsatzsteuergesetzes zugunsten Urheberrechts-Verwertungsgesellschaften, und der nun in den nächsten Monaten erfolgende Abschluss eines bilateralen Vertrages zwischen Österreich und der UdSSR.