Selbstdarstellung:
[Im Zuge der Aufarbeitung des Nachlasses fanden sich die folgenden
Ausführungen Uhls zu seinem Leben, die unserem Wissen nach noch nicht
veröffentlicht sind.]
Da es mir damals [1932] infolge der schlechten Wirtschaftslage trotz
aller Bemühungen nicht gelang, mir in Wien eine Existenzgrundlage zu
schaffen, versuchte ich in Zürich Fuß zu fassen, was nach anfänglichen
Schwierigkeiten auch gelang, als die Zürcher Präsens-Film A. G.
verzweifelt nach einem Komponisten suchte, der in der Lage war, binnen
weniger Stunden die Musik zu einem Beiprogrammfilm schreiben zu können.
Durch Zufall erfuhr ich davon, meldete mich, schrieb die Musik - und die
Auftraggeber waren zufrieden. Das hatte zur Folge, dass ich auch
weiterhin mit Filmvertonungsaufgaben betraut wurde. So kam es, dass ich
in der Zeit von 1933 bis 1938 im Auftrag der Praesens-Film ca. 60
Reklamefilme, 24 Kultur-Beiprogrammfilme und 4 abendfüllende Filme
vertont habe. Meine Erfolge als Filmkomponist blieben nicht ohne
Widerhall: ich erhielt nun auch Aufträge von der Tobis - Paris und Tobis
- Berlin. Nicht unerwähnt möchte ich es lassen, dass der von Josef
Dahinden (Arosa) gedrehte und von mir vertonte Film "Symphonie des
Wassers" (kein Dialog, nur Bild und Musik) 1936 bei der Biennale in
Venedig mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurde.
Meine Filmerfolge registrierte aber auch die Zürcher Fremdenpolizei, die
mir, trotz intensivster Bemühungen seitens der Praesens-Film, hartnäckig
die Arbeitserlaubnis verweigerte. Ausgelöst durch die erfolgreiche
Zürcher Premiere des von mir vertonten abendfüllenden Kulturfilmes
"Mittelholzers Abessinienflug", wurde mein "Fall" nun auch in aller
Öffentlichkeit diskutiert, und erfreulicherweise sogar fast durchwegs zu
meinen Gunsten, aber das nützte alles nichts. Obwohl die Praesens-Film
bei einer Pressekonferenz erklärte, dass sie weder in der Lage noch
gewillt sei, auf meine Mitarbeit zu verzichten und darauf verwies, dass
sich außerdem bisher noch kein der Praesens-Film geeignet erscheinender
Schweizer Komponist für meine Nachfolge interessiert habe, beharrte die
Fremdenpolizei auf ihrem Standpunkt und entschied, dass ich zum Schaden
der Schweizer Komponisten tätig sei. Ich musste 100 Franken Strafe
zahlen, wurde des Landes verwiesen und mit einem Einreiseverbot für die
ganze Schweiz auf anderthalb Jahre belegt,... was aber nichts daran
änderte, dass mir die Praesens-Film weiterhin die Treue hielt. So
komponierte ich halt statt in Zürich nun wieder in Wien und reiste
jeweils zu den Tonaufnahmen nach Paris. Dass ich in diesen Jahren den
Filmbetrieb gründlichste kennen gelernt habe, bedarf wohl nicht erst des
Hinweises.
Meine Filmtätigkeit fand 1938 ein jähes Ende, als mir die Praesens-Film
zu ihrem aufrichtigen Bedauern, wie sie mir versicherte, mitteilen
musste, dass sie es nun nicht mehr verantworten könne, einen deutschen
Komponisten zu beschäftigen.
Trotz aller Bemühungen gelang es mir auch 1938 nicht, mir in Wien eine
Existenzgrundlage zu schaffen. Daran war diesmal allerdings nicht die
Wirtschaftslage schuld, sondern der Umstand, dass ich mich - meiner
Überzeugung entsprechend - von Anfang an von den damaligen Machthabern
und ihrem politischen Regime distanziert habe. Meinen Unterhalt bestritt
ich zunächst noch aus meinen Ersparnissen, geriet aber dann mangels
jeglicher Hilfe in bittere materielle Not - und landete schließlich als
Hilfsschreiber im Arbeitsamt. Im Februar 1940 erreichte mich der
Einberufungsbefehl. Drei Monate Ausbildung in Gmunden, dann zunächst
Abstellung zur Ersatzreserve. Tätigkeit als Arbeitskommandoführer und
Dolmetsch (Französisch) in den Lagern Neumarkt/Ybbs, Amstetten und
Wildings. Im Herbst 1941 Abstellung zur Fronttruppe, und im Dezember
1941 schwere Verwundung an der Ostfront durch Minenexplosion. Amputation
des rechten Vorfußes, totale Entkräftung, starke und lang anhaltende
Eiterung infolge Pulverstaubinfektion, Inzisionen und sonstige
schmerzhafte Prozeduren. Nach etwa einem Jahr zwar endlich Heilung, aber
unbewegliches Sprunggelenk, daher noch langwierige l orthopädische
Behandlung. Gesamtdauer der Lazarettaufenthalte: 22 Monate. Im Oktober
1943 Entlassung aus dem Lazarett und Militärdienst.
Bemühung um eine Anstellung als Theorielehrer an der Wiener
Musikakademie. Keine Vakanz, bestenfalls nur vorübergehende Vertretung
des eingerückten, d. h. in einer Wiener Schreibstube den Krieg
verbringenden Lehrers Dr. Friedrich Bayer. Trotz ungünstiger Bedingungen
(kein Vertrag, mit sofortiger Entlassung muss jederzeit gerechnet
werden) Annahme des Angebots.
Als 1945 der Krieg beendet war, schloss die Akademie ihre Pforten und
stellte den Betrieb ein. Ich bewarb mich um die Stelle eines Lektors am
musikwissenschaftlichen Institut der Wiener Universität - und hatte
Erfolg. Ich hätte diese Stelle auch angetreten, wenn nicht eines Tages
ein schüchterner Jüngling vor der Türe meiner elterlichen Wohnung
gestanden wäre und mich gefragt hätte, was für die morgige
Akademie-Aufnahmeprüfung im Hauptfach Musiktheorie/Komposition alles
verlangt werde. Als ich erstaunt fragte, warum er sich mit dieser Frage
gerade an mich wende, sagte er nicht minder erstaunt: "Sie sind doch
jetzt an der Musikakademie der Theorie-Hauptfachlehrer Nr. 1." Und damit
begann meine Laufbahn als Musikerzieher. Der immer stärker werdende, bis
heute anhaltende Zustrom von Schülern aus dem In- und Ausland mag als
Beweis für den großen Erfolg meiner Lehrtätigkeit gelten.
Gewissenskonflikte künstlerischer Art, mein eigenes kompositorisches
Schaffen betreffend, sowie die intensive Beschäftigung und
Auseinandersetzung mit Fragen und Problemen der Zielrichtung der Kunst
im allgemeinen, beschwor etwa ab 1951 eine Krise herauf, die sich
lähmend auf mein subjektives Schaffen auswirkte. Ich überbrückte diese
Krisenzeit, indem ich wieder Filmangebote annahm. So vertonte ich die
Filme "Das gestohlene Jahr" (mit Oskar Werner), den Sängerknabenfilm
"Frühlingsstimmen" (mit Paul Hörbiger), den Film "Der Verschwender" (mit
Josef Meinrad) und den Willi-Forst-Film "Stadt meiner Träume". Als ich
dann aber mit der Arbeit an meinem Oratorium "Gilgamesch" begann, hatte
ich die Krise überwunden und sagte dem Film endgültig Ade.
1960 Großer Österreichischer Staatspreis (Würdigungspreis)
1961 Musikpreis der Stadt Wien Elisabeth-Medaille, in Anerkennung meiner
Verdienste als Juror des Concours musical international Reine Elisabeth,
Brüssel 1964 Ernennung zum a. o. Hochschulprofessor
Berufung in den Österreichischen Kunstsenat
1966 Ernennung zum ordentlichen Hochschulprofessor
1967 Vizepräsident des Österreichischen Kunstsenats
1968 Schubert-Medaille des Wiener Schubertbundes
1969 Ehrenmedaille in Gold der Bundeshauptstadt Wien Fabiola-Medaille
(Concours musical international Reine Elisabeth) ferner eine
Auszeichnung aus purem Gold, die höchste, die Abessinien zu "vergeben
hat: das Ehrenzeichen der kaiserlichen Leibgarde, verliehen in Würdigung
und Anerkennung meiner Verdienste um die musikalischkünstlerische
Erziehung meines abessinischen Schülers Gurumu, der jetzt bereits in
Addis Abeba als hervorragender Organisator und Reformator auf
musikerzieherischem Gebiet tätig ist, und schließlich:
Aufsichtsratmitglied der Austro-mechana 1970 Einstimmige Wahl zum
Präsidenten der AKM
in Las Palmas Ernennung zum Verwaltungsratmitglied der CISAC (der
internationalen Dachorganisation aller Urheberrechtsgesellschaften)
1971 Mozart-Medaille der Wiener Mozartgemeinde
Was noch unerwähnt blieb: ich bin an der Musikakademie - seit 1970
wieder Musikhochschule - neben meiner Lehrtätigkeit seit langen Jahren
auch als Leiter der Abteilung Musiktheorie/Komposition und
Kapellmeisterschule tätig, wo ich in meiner Funktion als
Abteilungsvorstand immer wieder schwerwiegende Entscheidungen zu treffen
und mitunter auch recht komplizierte Probleme organisatorischer oder
schultechnischer Art zu lösen habe. Dazu kommt noch, dass es innerhalb
meiner in ihrer Struktur besonders vielfältigen Abteilung häufig zur
Bildung von Unruheherden kommt, - sei es aus persönlich künstlerischen
oder musikerziehungstechnischen Gründen. Es ist mir bisher aber stets
gelungen, Gegensätze wieder auszugleichen, in Streitfällen gerecht und
unbestechlich zu entscheiden und im Interesse einer ungestörten
zielstrebigen Zusammenarbeit den Frieden wieder herzustellen.
Ich möchte es auch nicht unterlassen, zu erwähnen, dass mir in meiner
erst acht Monate währenden Tätigkeit als AKM-Präsident zwei Vorhaben
gelungen sind, um deren positive Lösung sich die AKM seit langen Jahren
schon vergeblich bemüht hat: die Novellierung des Umsatzsteuergesetzes
zugunsten Urheberrechts-Verwertungsgesellschaften, und der nun in den
nächsten Monaten erfolgende Abschluss eines bilateralen Vertrages
zwischen Österreich und der UdSSR.
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