Musikalische Dokumentation

Fridolin Dallinger

Konzert-Gespräch-Ausstellung

Wien 1997, 44 S., Ill., Notenbeisp.

 

 

Inhalt:

Seite:

   

Programmfolge des Konzertabends

5

Fridolin Dallinger: Selbstdarstellung

7

Paul Stepanek: Fridolin Dallinger

8

Franz Zamazal: Immer neugierig

12

Fridolin Dallinger – Werkverzeichnis

16

Tonträgerverzeichnis

31

Literatur von und über Fridolin Dallinger

33

Die Ausstellung [Bearbeitung Liselotte Theiner]

35

 

Selbstdarstellung:

Warum schreibe ich Symphonien? Nicht, weil ich die Umwelt unbedingt beglücken möchte, sicher auch nicht für die Ewigkeit. Ich glaube, es macht einfach Freude, Symphonien zu schreiben. Die Symphonie nimmt für den Komponisten die Position ein, die der Roman in der Literatur besitzt. Belohnt wird der immense Arbeitsaufwand durch die Freude und innere Genugtuung, die sich einstellt, nachdem man den letzten Takt geschrieben hat.
Natürlich denke ich beim Komponieren auch schon ein wenig an das Publikum, und vermutlich werde ich dadurch (vielleicht nur unbewußt) auch in der Schaffensweise beeinflußt.
Wann begann ich, Symphonien zu schreiben? Nachdem ich eine eigene Sprache gefunden hatte (wie das so schön heißt) oder zumindest eine, in der ich mich wohlfühlte, in der ich mich nicht verstellen, nicht den jeweiligen Modetrends anpassen mußte. Ob ich damit „modern" bin, kümmert mich - offengestanden - herzlich wenig. In der langen Wartestellung weiß ich mich übrigens eins mit zwei oberösterreichischen Komponistenkollegen, nämlich mit Balduin Sulzer, der ebenfalls in den Vierzigern war, als er seine Erste Symphonie schrieb, und mit Augustinus Franz Kropfreiter, der sich auch erst allmählich über eine Streichersymphonie und eine Sinfonia concertante zum symphonischen Erstling vortastete. Ob da nicht für uns alle das Vorbild Bruckners erdrückend wirkt?
Selbstverständlich schrieb ich vor der Ersten Symphonie schon Orchesterwerke, u. a. ein in Zwölftontechnik komponiertes Ballett und drei Konzerte für Kammerorchester. Ich suchte darin - ähnlich wie in zahlreichen Kammermusikwerken - meine persönliche „Note“ (in des Wortes ureigenster Bedeutung), wollte mich von meinen Lehrern abnabeln, war bestrebt, ich selber zu sein, um dann in einer Symphonie, vor der ich einen heillosen Respekt hatte, eine eigenständige Aussage machen zu können. Eigentlicher Anlaß zur Abfassung meiner Ersten Symphonie war der Auftrag des Landes Oberösterreich, zum Bauernkriegsgedenkjahr 1976 eine Symphonie, also eine „Bauernkriegssymphonie“, zu schreiben, sowie Helmut Eder eine „Bauernkriegsoper" aus diesem Anlaß komponierte. Eine programmatische Deutung ist dabei möglich, für den Hörer wahrscheinlich auch hilfreich (man erinnert sich an Bruckners Vierte, doch ist diese Symphonie genauso absolute Musik wie die Zweite, die frei von programmatischen Ideen konzipiert wurde und trotzdem ein gleiches oder zumindest ähnliches Vokabular verwendet.
Apropos „Zweite“: Vor drei Jahren gehörte ich in Triest einer Jury an, deren Vorsitz Wolfgang Fortner hatte. Es waren etwa hundert Orchesterwerke aus aller Welt eingereicht worden, die wir nun zu beurteilen hatten, darunter zahlreiche „Erste Symphonien“. Eines Tages sagte Fortner zu mir: „Es ist eigenartig, wie viele Komponisten ,Erste Symphonien' schreiben, wo sie doch gar nicht wissen, ob sie je zu einer zweiten kommen werden!“ Ich hatte zu dieser Zeit auch erst eine Erste Symphonie – Man kann sich vorstellen, wie erleichtert ich war, als die Zweite fertig war!